Nachhaltige Mode: Wie sinnvoll sind vegane Schuhe? - [GEO]

2022-08-12 18:17:15 By : Ms. Bella Tian

Der vegane Lebensstil ist angesagt - und so breitet sich der Trend auch in der Schuh-Welt rasant aus: Ob stylische Peeptoes, feine Anzugschuhe oder robuster Stiefel – auch vegan kann man inzwischen nahezu jeden Schuh bekommen. Allein 35 vor allem kleinere Schuhmarken zählt das vegane Schuh-Portal avesu. Aber auch die "Großen" der Modebranche bieten veganes Schuhwerk an – Esprit, Puma oder auch Adidas werben explizit mit ihren lederfreien Modellen.

Leder, genauso wie Fleisch, hat keine gute Öko-Bilanz, der Flächenverbrauch und CO2-Ausstoß ist enorm. Ist vegan also bei Schuhen das bessere öko?

"Das hängt davon ab, was in dem veganen Schuh steckt – und was man will", sagt Lars Wittenbrink, Chefredakteur des Blogs Grüne Mode und Besitzer eines der größten grünen Concept-Stores in Deutschland. "Ein veganer Schuh garantiert natürlich die Achtung der Tierrechte. Aber wenn in diesem Schuh erdölbasiertes Kunstleder und vielleicht sogar giftige Chemikalien stecken, macht das ökologisch eher keinen Sinn. Dann ist ein hochwertiger und länger haltbarer Ökolederschuh besser".

Die vegane Schuh-Lage ist also, wie so oft, nicht eindeutig. Denn „normales“ Leder aus konventioneller Tierzucht hat nicht nur eine schlechtere CO2-Bilanz, sondern auch eine Menge Gift im Gepäck. Gegerbt wird dieses Leder unter anderem mit Chromsalzen, wobei das stark krebserregende und erbgutverändernde Chrom-IV entsteht. Die Gerbereien vergiften mit diesen oft ungeklärten Abwässern die Flüsse der asiatischen Textilzentren.

Dann schon lieber Kunstleder, auch wenn es aus Erdöl gemacht wird. Vergleicht man Kunstleder allerdings mit pflanzlich gegerbtem Leder, dann sieht die Bilanz anders aus. Denn das traditionelle Gerben mit Rinde oder Rhabarber ist auf jeden Fall ungiftig. Und: "Ein guter Lederschuh kann sehr lange getragen werden. Regelmäßiges Einfetten hält das Leder geschmeidig – das geht bei Kunstleder nicht. Es stößt sich schneller ab, die Farbschicht bekommt Kratzer – die potentielle Lebensdauer ist insgesamt deutlich geringer", sagt Wittenbrink. Kein Wunder, dass unsere Mütter die billigen Schuhe aus Lederimitat nie kaufen wollten.

Bleibt allerdings das Manko, das auch der Ökoleder-Schuh "totes Tier" enthält. Oder, um in der veganen Sprache zu bleiben: nicht "tierleidfrei" ist. Auch deswegen entwickeln die veganen Schuh-Pioniere immer neue Gewebe auf pflanzlicher Basis.

Ganz vorne mit dabei: Piñatex – ein lederähnliches Material aus den langen Fasern der Ananasblätter. Während die Blätter normalerweise als Abfallprodukt auf den Plantagen verrotten, verdienen die Bauern bei Piñatex etwas dazu. Vor Ort trennen sie die Fasern mit speziellen Maschinen von der übrigen Biomasse der Blätter. Die Fasern werden dann ähnlich wie Filz zum Piñatex-Gewebe gewalkt, nicht etwa gestrickt oder gewebt. 480 Blätter ergeben etwa einen Quadratmeter Piñatex-Stoff.

Das Kanvas-ähnliche Material kann Leder sehr ähnlich sehen. Gefärbt, bedruckt und behandelt ist es in Struktur und Optik sehr variabel. Camper und Puma haben bereits erste Musterschuhe, aber auch kleine Marken wie NAE haben erste Modelle vorgestellt.

Auch Kork ist bei Schuhen auf dem Vormarsch. In sehr dünnen Schichten geerntet und mit Wasserdampf behandelt, ergibt Kork ein sehr robustes und sogar weiches Material. Und weil Korken auf Weinflaschen auf dem Rückzug sind, ist dies ein willkommener Absatzmarkt für die artenreichen Korkwälder. Wenn die Bäume nur alle acht Jahre geerntet werden, ist Kork ein umweltschonender Rohstoff. Das antibakterielle und atmungsaktive Material eignet sich gut für vegane Schuhe, die Hersteller wie CosiCosi oder Ultrashoes bereits im Angebot haben.

Wem das zu ausgefallen ist, der kann erstmal mit Schuhen aus Hanf, Baumwolle und Kautschuk-Sohle loslegen. Das ist allerdings nicht wirklich neu: Die klassischen Espadrilles oder Chucks bestehen seit dreißig Jahren genau daraus, wenn auch meist nicht aus Bio-Baumwolle.

Nach der veganen Schuh-Logik kann man natürlich auch zu ganz normalen Turnschuhen großer Sportartikel-Hersteller greifen: Die sind oft aus 100 Prozent Plastik hergestellt. Nur bewerben die Unternehmen und Shops sie jetzt geschickt mit dem "vegan"-Slogan. Ob das nun so gut ist? "Wenn die Schuhe aus recyceltem Kunststoff hergestellt sind und keine giftigen Chemikalien wie Weichmacher enthalten, dann spricht nichts dagegen. Aus PET-Flaschen ist das zum Beispiel möglich", sagt Wittenbrink. Das gibt es inzwischen auch – allerdings eher von kleinen Herstellern wie NAE.

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